Der Deutsche Logistik-Preis 2025 wurde jetzt im Rahmen der BCL Supply Chain CX in Berlin verliehen. BU: Foto: BVL/Christian Lietzmann

Deutscher Logistik-Preis 2025: Wenn ein Logistikzentrum in die Jahre gekommen ist, stellt sich die Frage zwischen Neubau und Bestandserneuerung. Die Workwear-Marke Strauss wählte am Standort Biebergemünd nach einer eingehenden Analyse den Weg der Revitalisierung – und das bei laufendem Betrieb. Das Projekt „Logistics Next Level“ überzeugte die Jury und das Auditing-Team und wurde im Rahmen der BVL Supply Chain CX in Berlin, veranstaltet von den Bundesvereinigung Logistik (BVL), mit dem Deutschen Logistik-Preis ausgezeichnet. Bereits 2015 gewann das Familienunternehmen die Auszeichnung mit dem Projekt „Stargate“, 2020 stand Strauss mit der „CI Factory“ in Schlüchtern im Finale. „Wir wollten unsere Logistik nicht nur erneuern, sondern revolutionieren“, sagt Matthias Fischer, COO bei Strauss.

Das bisherige Logistikzentrum stammte aus den 1990er-Jahren und war nicht mehr zukunftsfähig – die überalterten Anlagen verbrauchten viel Energie, und die Prozesse waren vielfach noch analog. Die Analyse ergab, dass ein Neubau mit den höchsten Kosten und den meisten CO₂-Emissionen verbunden gewesen wäre, zudem viel Zeit beansprucht hätte. Die Entscheidung fiel daher auf die Brownfield-Revitalisierung – mit einem tragfähigen Investitionsrahmen und deutlich kürzerer Umsetzungszeit. Laut Angaben war eine CO₂-Ersparnis von 26.000 Tonnen gegenüber einem Neubau möglich. Eine PV-Anlage sowie Geothermie tragen zur Eigenversorgung bei.


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Investition, Betrieb und Messzahlen

Der Umbau im laufenden Betrieb stellte hohe Anforderungen an Planung, Qualifizierung und Risikosteuerung. Teile des Prozesses wurden temporär an den Schwesterstandort im nahe gelegenen Schlüchtern ausgelagert. Insgesamt investierte Strauss 55 Millionen Euro, vollständig aus Eigenmitteln finanziert. Bei einer Verdoppelung der Versandleistung sanken die Stückgutkosten – den Return on Investment gibt Matthias Fischer mit 4,8 bis rund fünf Jahren an.

Ein neuer Leitstand koordiniert täglich rund 45.000 Sendungen. Die Auftragsdurchlaufzeit sank von vier Stunden auf 40 Minuten, die Fehlerrate wurde um 80 Prozent reduziert, die Kundenzufriedenheit liegt bei 98 Prozent. Automatisierung und Digitalisierung mit modernsten Anlagen bilden eine Säule des Erfolgs. Entstehende Daten fließen sofort in Prognosen, Kapazitätssteuerung und Wartungsplanung ein und erhöhen somit die Stabilität der Abläufe.


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Mitarbeitende und soziale Dimension

Auch das Auditing-Team und die Jury zeigten sich von der Verankerung des Projekts im gesamten Team beeindruckt. Die Belegschaft war von Beginn an eingebunden und hatte Einfluss auf Themen wie Schichtplanung, Pausenzeiten und Arbeitsplatzgestaltung. Während der Umbauphase fanden Schulungen im modernen Standort Schlüchtern statt. Für die Mitarbeitenden besonders relevant: Dank Effizienzgewinnen konnte die Wochenarbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden reduziert werden – bei vollem Lohnausgleich.

In Summe überzeugte Strauss die Jury mit dem integrierten Ansatz aus Bestandserhalt, vernetzter Automatisierung, KI-gestützter Steuerung und aktiver Beteiligung der Mitarbeitenden. Das Projekt wurde damit als ein Modell für Unternehmen bewertet, die mit Blick auf knappe Flächen, steigende Anforderungen und hohen Kostendruck zukunftsfähige Logistik entwickeln wollen.


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Deutscher Logistik-Preis 2025: Finalist Siemens – KI als Schlüssel zu Effizienz

Auch ein weiterer Finalist überzeugte mit Innovationskraft. Unter immer mehr Kleinpackstücken, veränderten Kundenbestellverhalten, stark schwankenden Kundenbedarfen, erhöhtem Kostendruck sowie ambitionierten Nachhaltigkeitszielen litt auch das Logistics Center Erlangen (LC) von Siemens, zentrale Drehscheibe für den weltweiten Versand von Antriebsstrang-Komponenten. Die Lösung lautete: Eine umfassende Transformation im laufenden Betrieb mit Fokus auf Digitalisierung und Automatisierung. Vier KI-basierte Innovationen waren im Zentrum: Ein Algorithmus prognostiziert die optimale Kartongröße, Roboter picken auch unbekannte Objekte autonom, eine KI-gestützte Packlogik sorgt für optimale Ablage im Karton, und ein automatisches Depalettieren ermöglicht nahtlose Integration in den Gesamtprozess.

„Heute ist der gesamte Prozess von der Materialverbringung bis zum Etikettieren und Versandfertigmachen der Kleinpackstücke durchgängig automatisiert“, sagt Dr. Ekine Aristizabal, Head of Logistics Center Erlangen. „Die hohe Effizienz unserer Prozesse bei den Kleinpackstücken verdanken wir der neuen Pick & Packlinie mit ihrer Produktivitätssteigerung von 124 % und der Versandlinie mit sogar 300 % Produktivitätssteigerung“, so Aristizabal.

Deutscher Logistik-Preis 2025: Finalist Tchibo – „The Power within Retoure”

Ein zentrales Thema im Handel ist der Umgang mit Retouren. Bei Tchibo wurden Rückläufer als Teil des Geschäftsmodells adressiert: Am Logistikstandort im tschechischen Cheb realisierte das Unternehmen das Projekt „The Power within Retoure“, das Online-Geschäft und Retouren intelligent verzahnt. Fast 850.000 Retouren pro Woche gilt es abzuwickeln, über ein automatisiertes System mit 300.000 Taschen gelangen 27 Prozent der Retouren direkt wieder in ein neues Paket, 55 Prozent sind nach 30 Minuten wieder im Webshop verfügbar, und insgesamt können 96 Prozent der retournierten Artikel den Kunden wieder angeboten werden. „Für uns sind Retouren nicht das Ende eines Produktzyklus, sondern ein Neuanfang“, sagt Laura Andersch, Head of SCM Reverse Logistics bei Tchibo.