BU: Linde Material Handling zeigt während der LogiMAT in Stuttgart mit einem Showcase, wie Künstliche Intelligenz die Intralogistik revolutioniert. Grafik: Linde MH
Die Optimierung von Materialflussprozessen wird zunehmend von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt. Wie diese Technologie in der Praxis funktioniert und welche Entwicklungsschritte bevorstehen, präsentiert Linde Material Handling (MH) auf der Messe LogiMAT in Stuttgart. Die Basis bildet die leistungsstarke KI-Plattform „Omniverse“ von NVIDIA, die mithilfe eines digitalen Zwillings riesige Datenmengen aus Warenlagern in Echtzeit erfassen, analysieren und verarbeiten wird. Die KION Group, Muttergesellschaft von Linde MH, hatte erst im Januar eine umfassende Kooperation mit NVIDIA und Accenture angekündigt, um die industrielle Automatisierung weiterzuentwickeln.
Zusammenarbeit von Mensch und Maschine
Auf einer speziellen Erweiterungsfläche des Linde-MH-Messestandes demonstriert das Unternehmen ein Zukunftsszenario für moderne Warenlager: Manuelle und automatisierte Flurförderzeuge arbeiten dank innovativer KI-Technologie nahtlos zusammen. Besonders große Flotten profitieren von dieser intelligenten Vernetzung, da leistungsstarke Hard- und Software sowie hohe Rechenkapazitäten sämtliche Prozesse transparenter machen. Durch kontinuierliche Simulationen lassen sich Aufträge schneller, sicherer und flexibler abwickeln. Ulrike Just, Mitglied der Geschäftsführung von Linde MH, hebt hervor, dass maschinelles Lernen und neuronale Netze das Lager leistungsfähiger machen, den Warendurchsatz erhöhen und den Personaleinsatz optimieren. Diese Entwicklungen führten letztendlich zu erheblichen Kosteneinsparungen für Unternehmen. Sie betont zudem, dass Linde MH als Technologieführer bereits erste KI-basierte Lösungen entwickle und gemeinsam mit Pilotkunden neue Wege zur Optimierung des Materialflusses beschreite.
Echtzeitlokalisierung für maximale Transparenz
Der erste Schritt in der Strategie von Linde MH besteht in der Vernetzung manueller Flurförderzeuge. Dafür wird ein System zur Echtzeitlokalisierung entwickelt, das sowohl innerhalb von Lagerhallen als auch im Außenbereich funktioniert. Diese Technologie nutzt eine innovative „low infrastructure“-Ultra-Breitband-Lösung, um die Fahrzeuge lückenlos zu verfolgen. Fahrer erhalten Navigationsanweisungen oder neue Fahraufträge über ein intelligentes Display. Das System kombiniert Standort- und Fahrzeugdaten, wie beispielsweise den Lenkwinkel, und ermöglicht so eine dynamische Routenanpassung – insbesondere bei Staus oder Engpässen auf den Fahrwegen.
KI-basierte Steuerung komplexer Flotten
Die steigende Komplexität der Zusammenarbeit zwischen manuellen und automatisierten Flurförderzeugen erfordert eine immense Rechenleistung. Ron Winkler, Managing Director der Digital Business Unit von Linde MH, erklärt, dass die Koordination von 100 oder mehr Fahrzeugen nur mit einer übergeordneten KI und leistungsfähiger Hardware möglich sei. Hier spiele die NVIDIA Omniverse-Plattform eine zentrale Rolle. Durch die Erstellung eines digitalen Zwillings – eines virtuellen 1:1-Abbilds des Lagers – lassen sich in Sekundenbruchteilen Simulationen durchführen. Diese ermöglichen eine optimierte Steuerung von AMRs (Autonome Mobile Roboter) und manuellen Fahrzeugen sowie die Anpassung bestehender Lagerlayouts.
Dynamische Anpassung durch digitale Simulation
Die Besonderheit der Lösung liegt in der Echtzeitanalyse von Lagerveränderungen. Bestandsveränderungen, veränderte Auftragslagen, Verkehrsdichte, Hindernisse oder überhängende Lasten werden von der KI erkannt, simuliert und die Steuerung der Fahrzeuge entsprechend angepasst. So kann beispielsweise ein verspätet eintreffender Lkw direkt dem nächstgelegenen, geeigneten Stapler zugewiesen werden. Die NVIDIA Omniverse-Plattform enthält dabei sämtliche physischen Parameter der Flurförderzeuge sowie Infrastrukturinformationen, sodass sämtliche Sensor-, Kamera- und Steuerungsdaten in die Berechnung einfließen.
„Mit der Konfiguration eines digitalen Lagerabbilds lässt sich jede denkbare Infrastruktur und Flottenkonfiguration in 3D-Optik simulieren und auf ihre Effizienz hin testen.“
Managing Director der Digital Business Unit von Linde MH
Simulation als Schlüssel zur Effizienzsteigerung
Intelligente Kamerasysteme übernehmen das Tracking von Ladungsträgern, AMRs und manuell geführten Fahrzeugen. Sie überwachen sowohl die Ladung als auch die Lagerzonen und interpretieren die erfassten Bilder mithilfe von KI. Auf der LogiMAT zeigt ein Tech-Showcase konkret, wie diese Technologie in der Praxis funktioniert: Ein Staplerfahrer bringt mit einem Linde-Elektrostapler Ware in die Lager-Vorzone, wo ein automatisierter Linde-Hochhubwagen die Palette aufnimmt und ins Lager transportiert. Um Materialflüsse lückenlos zu dokumentieren, nimmt die intelligente Fahrzeugkamera des manuellen Staplers automatisch ein Bild des Ladeguts auf. Gleichzeitig erkennt sie Hindernisse und Personen und passt das Fahrzeugverhalten in Echtzeit an. Stationäre Kameras im Lager erfassen Stellplatzbelegungen und mögliche Gefahren, um die Fahrzeuggeschwindigkeit anzupassen und Kollisionen zu vermeiden.
Flexible Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse
Doch was passiert, wenn eine Palette nicht exakt auf der vorgesehenen Fläche abgelegt wird? Die stationären Kameras registrieren die Abweichung und informieren den digitalen Zwilling, der daraufhin eine alternative Anfahrtslösung für das automatisierte Fahrzeug berechnet. Falls sich die Palette nicht mit einem AGV (Automated Guided Vehicle) aufnehmen lässt, bleibt das Fahrzeug stehen, während die KI in Echtzeit das nächstgelegene manuelle Flurförderzeug identifiziert, um den Auftrag zu übernehmen.
Ron Winkler fasst zusammen, dass die Simulation eines digitalen Lagerabbilds eine präzise Testumgebung für unterschiedliche Infrastruktur- und Flottenkonfigurationen in 3D-Optik biete. Die KI werde kontinuierlich weitertrainiert und verbessert, sodass langfristig ein Lager-Ökosystem entstehe, das Herausforderungen vorausschauend löst und stetig effizienter wird.