BU: Thomas Wicke, Geschäftsführer der SCHUNCK Group, rät zur frühzeitigen Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit. Foto: SCHUNCK GROUP
Nachhaltigkeitsreporting-Logistikbranche – mit diesem Begriff beginnt seit einigen Monaten in vielen Logistikunternehmen eine neue Realität. Was zunächst wie eine technische Berichtspflicht wirkt, entfaltet sich Schritt für Schritt zu einem tiefen Eingriff in Prozesse, Datenstrukturen und Verantwortlichkeiten. Die Logistics Hall of Fame hat gemeinsam mit der SCHUNCK Group im September 2025 untersucht, wie Unternehmen die Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bewerten. Das Ergebnis zeigt, wie breit die Spannbreite zwischen Wissen, Umsetzung und Unsicherheit ausfällt. Das Thema rückt nicht nur näher an operative Abläufe heran, sondern beeinflusst zunehmend strategische Weichenstellungen der Branche.
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Die Fakten: Wie die CSRD zur Belastungsprobe wird
Die Corporate Sustainability Reporting Directive verpflichtet Unternehmen dazu, strukturiert und vergleichbar über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte zu berichten. Für die Logistik, die traditionell mit komplexen Lieferketten und hohen Datendurchsätzen arbeitet, bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung. Die Trendbefragung zeigt ein deutliches Bild: Unternehmen schätzen den durchschnittlichen Aufwand der CSRD-Umsetzung auf 8,67 von 10 Punkten. Trotz dieser hohen Belastung hat sich die Hälfte der Befragten (50 Prozent) noch nicht mit der praktischen Umsetzung beschäftigt. Erst 16,7 Prozent befinden sich aktiv im Prozess.
Als größtes Nadelöhr erweist sich die Qualität und Verfügbarkeit von Daten. 100 Prozent der Teilnehmenden nennen sie als zentrale Hürde – ein klares Signal, dass die grundlegenden Voraussetzungen vielerorts noch fehlen. Die Befragten sehen weitere Schwierigkeiten beim Verständnis der regulatorischen Anforderungen (50 Prozent), beim Ressourcen- und Zeitaufwand (33,3 Prozent) sowie bei der Auswahl geeigneter Softwarelösungen (33,3 Prozent). Ebenso bereitet die Erhebung von Scope-3-Daten entlang komplexer Lieferketten (33,3 Prozent) Herausforderungen.
Stimmen aus der Branche: Wo Orientierung fehlt
An dieser Stelle wird deutlich, dass es in vielen Unternehmen keine etablierten Strukturen für die neuen Berichtsprozesse gibt. Das bestätigt auch Thomas Wicke, Geschäftsführer der SCHUNCK Group. Er sagt: „Die Ergebnisse zeigen klar, dass viele Unternehmen noch gar nicht wissen, wie sie die Vielzahl der Anforderungen praktisch umsetzen sollen.“ Er ergänzt: „Datenqualität, Prozesse und Zuständigkeiten sind die entscheidenden Stellschrauben – wer das Thema zu spät angeht, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch Reputationsverluste.“
In der Trendbefragung wird zudem sichtbar, wie groß der Wunsch nach Orientierung ist. Jeweils 50 Prozent der Teilnehmenden wünschen sich fachliche Beratung sowie digitale Werkzeuge zur Datenerhebung und -auswertung. Ebenso viele halten Best Practices und Austauschformate für hilfreich. Einige gehen sogar einen Schritt weiter und plädieren für eine Reduktion der Anforderungen, weil viele Mittelständler und Konzerne den Aufwand kaum bewältigen können.
Wicke beschreibt diesen Bedarf so: „Es braucht dringend pragmatische Lösungen und mehr digitale Unterstützung, um die CSRD-Anforderungen in die Praxis zu überführen.“ Und weiter: „Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen benötigen Orientierung, Standards und erprobte Werkzeuge. Wir haben den Bedarf erkannt und ein eigenes Kompetenzcenter aufgebaut. Die Spezialisten dort entwickeln voll digitale CSRD-Lösungen und stehen unseren Kunden zur Seite.“
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Einordnung: Warum Nachhaltigkeits-Compliance strategische Bedeutung gewinnt
Die Befragung zeigt, dass klassische Risikothemen wie Cyberkriminalität (83,3 Prozent) und Fachkräftemangel (66,7 Prozent) weiterhin präsent sind. Aber ein anderer Trend drängt sich zunehmend in den Vordergrund: Nachhaltigkeits-Compliance wird zum strategischen Faktor. Unternehmen müssen künftig nicht nur wirtschaftlich stabil und sicher agieren, sondern auch transparent und nachhaltig. Die CSRD verändert damit nicht nur Prozesse, sondern definiert eine Haltung, die sich durch ganze Organisationen zieht. Wicke fasst diesen Wandel prägnant zusammen: „Die CSRD ist kein reines Reporting-Projekt, sondern ein Transformationsprozess.“ Sie zwinge die Branche dazu, Strukturen, Datenflüsse und Verantwortlichkeiten neu zu denken. Wicke: „Wer das jetzt als Chance begreift, wird am Markt langfristig profitieren.“
Nachhaltigkeitsreporting-Logistikbranche: Was die Branche jetzt braucht
Die jährlichen Trendbefragungen der Logistics Hall of Fame und der SCHUNCK Group liefern kein repräsentatives Bild, aber sie spiegeln die Einschätzungen eines fachkundigen C-Level-Panels wider. Für die kommenden Monate wird entscheidend sein, wie Unternehmen ihre Datenlandschaften strukturieren, welche digitalen Werkzeuge sie einsetzen und wie sie Kompetenzen aufbauen.
Klar ist: Der regulatorische Rahmen wird bleiben, und Transparenz wird zum festen Bestandteil moderner Logistik. Unternehmen, die frühzeitig investieren und interne Prozesse professionalisieren, können davon profitieren – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern auch, weil sich Nachhaltigkeit zunehmend als Qualitätsmerkmal im Markt etabliert.
Damit wird das Nachhaltigkeitsreporting-Logistikbranche zu einem Thema, das weit über Berichtspflichten hinausgeht. Es beschreibt eine grundlegende Verschiebung hin zu mehr Verantwortung, Nachvollziehbarkeit und Resilienz in Lieferketten – und damit zu einer neuen Form von Wettbewerbsfähigkeit.




