BU: Am 12. und 13. November 2025 erstmals der Linde Automation Summit in Aschaffenburg statt. Foto: Rolf Müller-Wondorf

Intralogistik Automatisierung ist längst mehr als ein technisch motivierter Trend. Sie wird zunehmend zu einer Antwort auf strukturelle Herausforderungen, die den Materialfluss in Industrie, Handel und Logistik prägen. Dazu gehört die zunehmende Komplexität globaler Lieferketten ebenso wie der Arbeitskräftemangel in Lagerbereichen, wachsende Anforderungen an ergonomisches Arbeiten oder die Notwendigkeit, Investitionen gezielt zu tätigen. Genau in diesem Umfeld fand am 12. und 13. November 2025 erstmals der Linde Automation Summit in Aschaffenburg statt.

Die Veranstaltung bot einen konzentrierten Einblick in die Frage, wie Automatisierungslösungen in bestehende Lagerumgebungen integriert werden können, welche Rolle Softwareplattformen künftig spielen und wie digitale Abbilder realer Standorte den Weg zu sichereren und effizienteren Abläufen ebnen. Die Referentinnen und Referenten zeigten, wie sich bewährte Basistechnologien und neue Ansätze verbinden lassen – und warum die Verzahnung von Hardware, Software und operativem Prozesswissen immer wichtiger wird.

Marktumfelds: Der Zeitpunkt für Automatisierung ist strategisch günstig

Eine zentrale Botschaft des Summits richtete sich an Unternehmen, die den Materialfluss für die kommenden Jahre neu denken wollen. Die Gastgeberin des Events, Ulrike Just, Executive Vice President Sales & Services Linde MH EMEA, fasste diesen Geist zusammen: „Nie war der Zeitpunkt, in die Automatisierung von Materialflussprozessen zu investieren, so günstig wie jetzt.“

Damit verwies sie auf Entwicklungen, die in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen haben: kürzere Implementierungszeiten, standardisierte Systembausteine und eine Softwarearchitektur, die Automatisierung nicht mehr als exklusives Großprojekt, sondern als plan- und skalierbaren Prozess ermöglicht. In ihrem Statement formulierte sie auch die betriebswirtschaftliche Perspektive vieler Unternehmen: „Die Systeme sind deutlich einfacher und kostengünstiger geworden, die Projektplanungs- und Implementierungszeiten haben sich spürbar verkürzt. Das erleichtert den Einstieg in die Automatisierung und schafft Chancen für mehr Wettbewerbsfähigkeit.“
Aus dieser Sichtweise entsteht ein differenziertes Bild: Unternehmen mit ersten Automatisierungserfahrungen haben die Möglichkeit, neue Technologien gezielt zu testen – während Neueinsteiger niedrigere Hürden vorfinden.

Kontextkompetenz als Basis: Wie Linde die Beratung strukturiert

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand auch die Frage, welche Rolle Erfahrung, Prozessverständnis und Konzeption spielen. Gerade im Umfeld der Intralogistik Automatisierung zeigt sich, dass technische Lösungen nur dann funktionieren, wenn sie an die individuellen Anforderungen angepasst werden. Ulrike Just betonte diesen Ansatz: „Unsere Stärke ist die große Zahl an erfahrenen Experten. Sie erkennen, welche Automatisierungslösung im individuellen Fall am besten passt, und das ermöglicht unseren Kunden, eine dauerhaft hohe Performance zu erzielen.“

Die Bedeutung einer langfristigen Begleitung hob sie ebenfalls hervor: „Unsere Teams sind an der Seite der Unternehmen – angefangen bei der Erstberatung über die Projektplanung bis zur Implementierung sowie nach der Inbetriebnahme im laufenden Betrieb.“
Damit rückt eine Perspektive in den Vordergrund, die viele Unternehmen teilen: Automatisierung ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess.


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Technische Weiterentwicklung: Ein modulares Portfolio als Werkzeugkasten

Ein zentraler Teil der Summit-Inhalte drehte sich um die Fahrzeugtechnik. Dabei wurde deutlich, wie konsequent Linde Material Handling das Portfolio in den vergangenen Jahren überarbeitet hat. Zahlreiche Gerätetypen – vom Gegengewichts-Hochhubwagen über Schubmaststapler bis zum Schmalganggerät – wurden neu konstruiert und auf einen industriellen Serienstandard gebracht. Dieser Ansatz schafft Flexibilität, weil er Planungsprozesse vereinheitlicht und technische Voraussetzungen stabilisiert.

Die Präsentationen zeigten, wie sich modulare Bausteine zu Lösungen kombinieren lassen, die von klassischen Transportaufgaben bis zu anspruchsvollen Kommissionierszenarien reichen. Die Bedeutung dieses Ansatzes wird besonders sichtbar, wenn Automatisierung in bestehenden Gebäudestrukturen umgesetzt werden soll. Genau dort entfaltet ein standardisiertes Portfolio seinen Wert: Es verkürzt Abstimmungsphasen und erleichtert die Integration in gewachsene Layouts.


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Ein Blick nach vorn: Automatisierte Stapler für anspruchsvolle Umgebungen

Zu den technischen Neuheiten gehörte ein Ausblick auf ein Fahrzeug, das die künftige Automatisierung im Außeneinsatz prägen könnte: der automatisierte Gegengewichtsstapler Linde E-MATIC. Vorgestellt wurde ein Konzept mit einer Tragfähigkeit von 2,3 Tonnen, Lithium-Ionen-Batterie und technologischer Ausstattung für Navigation, Sicherheit und Energieeffizienz.

Der geplante Entwicklungsverlauf sieht vor, dass erste Kundenprojekte 2026 beginnen. In der Folge soll das Fahrzeug Aufgaben übernehmen, die den Übergang zwischen Lager und Außenbereich betreffen, darunter Steigungen, Unebenheiten und das Ein- und Auslagern in höheren Regalebenen. Damit entsteht ein Bild davon, wie Intralogistik Automatisierung in Zukunft verstärkt Aufgaben außerhalb klassischer Lagerhallen abdecken könnte.

Ulrike Just formulierte die Bedeutung dieses Meilensteins so: „Mit dem ersten Gegengewichtsstapler hat die Automatisierung jetzt das Kernprodukt der Marke Linde erreicht.“


Intralogistik Automatisierung
„Der Linde RoCaP hat das Potenzial, für die Lagerlogistik einen bedeutenden Fortschritt darzustellen. Er kann dabei helfen, dem bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Mitarbeiter bei körperlich anspruchsvollen Arbeitsaufgaben zu entlasten“, sagte Hendrik van Duuren, Geschäftsleiter von ROSSMANN Logistik. Foto: Rolf Müller-Wondorf

Robotik im Lager: Der Linde RoCaP als Beispiel für angewandte Automatisierung

Ein besonderer Schwerpunkt des Summits war die Vorstellung des Linde Robotic Case Picker (RoCaP). Das Fahrzeug verbindet einen automatisierten Hochhubwagen mit einem robotergestützten Vierachs-Greifarm. Entwickelt wurde es mit dem Ziel, die Kommissionierung schwerer Warenpakete zu automatisieren und damit körperlich belastende Tätigkeiten zu reduzieren.

Dass dieses Fahrzeug nicht nur ein Konzept, sondern ein industrietauglicher Baustein ist, zeigte das Einsatzbeispiel beim Drogeriemarktunternehmen ROSSMANN. Der RoCaP durchlief dort einen mehrwöchigen Test im Regionallager Burgwedel. Die Verantwortlichen formulierten ihre Bewertung deutlich: „Der Linde RoCaP hat das Potenzial, für die Lagerlogistik einen bedeutenden Fortschritt darzustellen. Er kann dabei helfen, dem bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Mitarbeiter bei körperlich anspruchsvollen Arbeitsaufgaben zu entlasten“, sagte Hendrik van Duuren, Geschäftsleiter von ROSSMANN Logistik.

Für Linde ist die Zusammenarbeit mit Pilotkunden Teil einer strategischen Entwicklung. Frank Wiezorek, Senior Director IKA Solutions, brachte diesen Zusammenhang auf den Punkt: „Die gemeinsame Weiterentwicklung des Fahrzeugs mit unseren Kunden sichert den langfristigen Markterfolg.“

Technische Details: Sensorik, Kameratechnik und eine integrierte Prozesslogik

Die Funktionsweise des RoCaP zeigt, wie tief moderne Technologien inzwischen in der Lagerautomatisierung verankert sind. Das Fahrzeug empfängt seine Aufträge über eine Schnittstelle zum Warehouse-Management-System. Von dort aus berechnet ein Managementsystem die optimale Route und steuert den Roboterarm.

Eine 3D-Kamera mit KI-Chips von NVIDIA erkennt die Struktur der Paletten, prüft deren Zustand und identifiziert die Position einzelner Pakete. Aus diesen Daten entsteht ein dreidimensionaler Arbeitsraum, der den Bewegungsablauf des Greifarms bestimmt. Die Entnahme erfolgt über eine Vakuumtechnik, die das Gebinde ansaugt und anhebt. Dieses Zusammenspiel aus Echtzeitdaten und mechanischer Präzision zeigt, wie hochentwickelt Intralogistik Automatisierung inzwischen agieren kann.

Peter Krumbholz, Projektleiter Advanced Robotic Solutions, fasste die Perspektive so zusammen: „Die Zusammenarbeit mit ROSSMANN hat gezeigt, wie viel Potenzial im Linde RoCaP steckt. Das wollen wir nun mit dem Unternehmen, das europaweit knapp 5.000 Filialen betreibt, weiter ausschöpfen.“

Brownfield als Zukunftsszenario: Automatisierung im gewachsenen Layout

Ein weiterer Fokus lag darauf, wie Automatisierung in Bestandsgebäuden funktioniert. Der RoCaP wurde bewusst so entwickelt, dass er Seite an Seite mit manuell bedienten Staplern im Mischbetrieb fahren kann. Dieser Ansatz reflektiert die Realität vieler Lagerstandorte, die historisch gewachsen sind und nur bedingt Platz für klassische Automatisierungslayouts bieten.

Frank Wiezorek beschrieb die Bedeutung dieses Ansatzes so: „Dieser Vorteil eröffnet große Chancen, denn ein Mix aus manuellen und automatisierten bzw. autonomen Fahrzeugen in Lager und Produktion wird es zukünftig immer häufiger geben.“
Damit wird deutlich, dass Automatisierung künftig weniger auf komplette Anlagenneubauten angewiesen sein wird, sondern vermehrt in bestehende Strukturen integriert wird.

Digitale Zwillinge: Wie Omniverse und 3D-Scanning die Prozessplanung verändern

Neben Fahrzeugtechnik und Robotik spielte ein drittes Feld eine zentrale Rolle: die digitale Abbildung realer Standorte. Linde Material Handling zeigte auf dem Summit, wie mit 3D-Laserscans hochauflösende Modelle erzeugt werden, die im NVIDIA Omniverse zu digitalen Zwillingen weiterverarbeitet werden.

Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Systemplanung über die Simulation bis zur Liveintegration realer AGVs. Das gezeigte Beispiel verdeutlichte, wie Bewegungsprofile, Lastaufnahmen und Verkehrsflüsse im digitalen Modell abgebildet und angepasst werden können. Das Ergebnis ist eine präzisere, belastbare Planungsgrundlage, die Projektzeiten reduziert und Fehlplanungen minimiert.

In den kommenden Monaten sollen erste Kundenprojekte mit diesen 3D-Visualisierungen starten. Sie markieren einen Schritt hin zu einem integrierten Ansatz, bei dem Software und physischer Betrieb enger zusammenwachsen.

Neue Softwarearchitektur: MATIC:move als zentrale Steuerungsebene

Auch die Steuerungssoftware stand im Mittelpunkt der Präsentationen. Die Plattform MATIC:move wurde als Werkzeug vorgestellt, mit dem sich Materialflussprozesse ohne umfangreiche Programmierkenntnisse modellieren lassen. Der Fokus liegt auf visueller Gestaltung, nachvollziehbaren Prozessketten und der schnellen Umsetzung.

Eine erweiterte Version, MATIC:move+, adressiert komplexere Szenarien mit zusätzlichen Schnittstellen und intelligenter Verkehrssteuerung. Dass diese Software skalierbar ist, zeigt sich daran, dass sie sowohl einzelne Fahrzeuge steuern kann als auch gesamte Mischflotten mit unterschiedlichen Herstellertechnologien.

Durch die Verbindung mit dem Linde Warehouse Manager und der VDA-5050-Kompatibilität entsteht ein Ökosystem, das offene Strukturen und hohe Integrationsfähigkeit ermöglicht.

Sicherheitsarchitektur: Sensorik und redundante Systeme als tragende Säulen

Ein weiteres Element betrifft die Sicherheit. Der Summit zeigte, wie Linde MH redundante Systeme und sensorbasierte Absicherungen in sämtliche neuen Fahrzeuge integriert. Dazu gehören Sensoren im Umfeld, Lichtzeichen wie Red Warning Lights und softwarebasierte Überwachung. Ziel ist es, das Zusammenwirken von Mensch und automatisierten Fahrzeugen auch in Mischbereichen zu gewährleisten.

Diese Sicherheitsarchitektur ist besonders relevant, wenn Automatisierung in bestehenden Hallen realisiert wird, in denen Mitarbeitende parallel zu autonomen Systemen agieren. Die vorgestellten Technologien zielen darauf ab, diesen Parallelbetrieb planbar und risikoarm zu gestalten.

Intralogistik Automatisierung wird zur stabilen Infrastrukturkomponente

Die Inhalte des Summits verdeutlichen: Intralogistik Automatisierung ist nicht länger ein isoliertes Technologieprojekt, sondern ein integraler Bestandteil moderner Lagerstrategien. Die Verzahnung von Robotik, digitaler Abbildung, KI-gestützter Steuerung und einem modularen Fahrzeugportfolio schafft eine Basis, die Unternehmen mittelfristig neue Gestaltungsspielräume eröffnet.

Gleichzeitig zeigt die Zusammenarbeit mit Pilotkunden wie ROSSMANN, wie wichtig praktische Einsatzszenarien für die Weiterentwicklung solcher Technologien sind. Das Zusammenspiel von mechanischer Robustheit, softwaregestützter Prozesslogik und realen Lagerbedingungen führt dazu, dass die Systeme schrittweise praxistauglicher werden.