BU: Digitale Modelle und reale Anlagen verschmelzen zu einem transparenten Gesamtbild des Ressourcenverbrauchs – Grundlage für nachhaltige Entscheidungen in der Intralogistik.

Carbon Footprint Intralogistik: Die Intralogistik ist zentrales Element der Logistikbranche und ein ressourceneffizienter Umgang für viele Unternehmen mittlerweile Selbstverständlichkeit. Denn es lassen sich nicht nur Kosten durch weniger Stromverbrauch einsparen, auch hinsichtlich der Treibhausgas- (THG-) Emissionen bedeutet Energieeffizienz Emissionsreduktion. Studien des World Economic Forums (WEF) zufolge (World Economic Forum WEF: Supply Chain Decarbonization. The Role of Logistics and Transport in Reducing Supply Chain Carbon Emissions. 2009), werden 13% der weltweiten logistischen THG-Emissionen durch Logistikgebäude verursacht. In Marktumfragen des Fraunhofer IML geben Betreiber von Logistikimmobilien wiederum an, dass im Durchschnitt etwa 18% des Stromverbrauchs der Intralogistik zugeordnet werden können. Sofern ein nationaler Strommix angenommen und nicht elektrifizierte Intralogistik hinzugerechnet wird, bedeutet dies 15% der operativen THG-Emissionen von Logistikstandorten.


Carbon Footprint Intralogistik
Anteil der Intralogistik an Stromverbrauch und THG-Emissionen an Logistikstandorten. Grafik: Fraunhofer IML

Lebenszyklusbetrachtung: Mehr als nur der Betrieb

Nun ist aber nicht nur der Betrieb von Intralogistikanlagen für Ressourcenverbrauch und THG-Emissionen verantwortlich. Vor- und nachgelagerte Prozesse haben wesentlichen Einfluss auf den Ressourcen- und Energieverbrauch und den damit verbundenen Emissionen: von der Gewinnung von Rohstoffen, über die Herstellung von Halbzeugen und Komponenten, der Endmontage und Inbetriebnahme bis hin zu Nachrüstungen (Retrofit) und der Demontage und dem Recycling von Anlagen (-bestandteilen). Diese THG-Emissionen werden – in Form des Produkt Carbon Footprints (PCF) oder Umweltdeklarationen (EPD) – vermehrt während des Einkaufsprozesses von Kunden nachgefragt. Hersteller stehen somit vor der Aufgabe, diese Informationen schon frühzeitig in der Planungs- und Angebotsphase für Intralogistikanlagen abzuschätzen. Diese Informationen sind aber auch für ein zukunftsorientiertes Produktdesign im Sinne der Circular Economy und Nachhaltigkeit von Interesse.


Weitere Informationen zum Thema Logistik allgemein: Posthumane Logistik: Prof. Michael ten Hompel über den Übergang zu intelligenten, autonomen Wertschöpfungsnetzen


Gemeinsame Studie von Fraunhofer IML und TGW Logistics

Das Fraunhofer IML begleitet in einer gemeinsamen Studie das Technologieunternehmen TGW Logistics bei der quantitativen Bewertung seines Produktportfolios: auf Ebene der Produkte, Produktgruppen und individueller Anlagen. Ziel ist dabei, Transparenz bezüglich des Ressourcenverbrauchs und der THG-Emissionen der eigenen Produkte zu schaffen, sodass schon während des Designs neuer Produkte, wie auch weiterzuentwickelnder Produkte, Ansätze für mehr Nachhaltigkeit, wie beispielsweise die Reduktion von THG-Emissionen, mitgedacht werden können. Zudem sollen vergleichbare und reproduzierbare Kennzahlen für einzelne Produktvarianten wie auch kundenspezifische Anlagen ermöglicht und bei Kundenanfragen kommuniziert werden.


Weitere Informationen zum Thema Logistik allgemein: Intralogistik Trends 2026: Wie die LogiMAT den technologischen Wandel gestaltet


Carbon Footprint Intralogistik: Standards als Grundlage der Bilanzierung

Startpunkt der Studie sind die international anerkannten Standards ISO 14040/44 für Ökobilanzen (Life Cycle Assessment LCA) und ISO 14067 für Product Carbon Footprints (PCF). Der PCF einer Intralogistikanlage quantifiziert die Gesamtmenge der THG-Emissionen, welche die Anlage und die darin verbauten Module während ihres gesamten Lebenszyklus verursachen. In dem ersten Teil der Studie fokussiert TGW Logistics die Berechnung des Embodied Carbon Footprints, also die in der Herstellungsphase bis einschließlich der Inbetriebnahme der Anlage verursachten THG-Emissionen. Das sind aus Sicht des Anlagenbetreibers alle vorgelagerten THG-Emissionen, die die Anlagen bis zur Schlüsselübergabe verursachen.


Carbon Footprint Intralogistik
Lebenszyklus von Intralogistik und Fokus der Studie. Grafik: Fraunhofer IML

Auswahl eines repräsentativen Produktportfolios

Aufgrund der Vielfalt intralogistischer Module und Anlagenkonfigurationen hat TGW Logistics zu Beginn der PCF-Studie ein repräsentatives Produktportfolio eingegrenzt. Dies ermöglicht es dem Intralogistik-Spezialisten, zukünftig eine Vielfalt von Kundenprojekten abbilden und potenzielle externe Anfragen beantworten zu können. Gleichzeitig wird der Aufwand bei Datenaufnahme und Bewertung in einem realisierbaren Rahmen gehalten. 21 typische Produkte mit in Summe über 40 Produktvarianten der unterschiedlichen Produktgruppen wurden ausgewählt und aktuelle und vollständige Datenkataloge erstellt. Varianten dienen dazu, die Vielfalt auf Produktebene abzubilden und deren potenziellen Einfluss auf die THG-Emissionen abzuschätzen.


Carbon Footprint Intralogistik
Vorgehensschema Projekt und PCF-Berechnung. Grafik: Fraunhofer IML

Datenerfassung und Modellierung

Die Datensammlung umfasst einerseits die Wahl sinnvoller Auslegungsparameter und Basiseinheiten der jeweiligen Produkte (z. B. Länge der Förderstrecke oder Anzahl Stellplätze). Andererseits wurden die entsprechenden Stücklisten vereinfachend materialbasiert ausgewertet und eine Aufstellung der Menge an einzelnen Metallsorten, Kunststofftypen, elektrischen Komponenten u. a. erarbeitet (siehe Abbildung). Übergeordnete Prozesse wie der Versand, die Endmontage und Inbetriebnahme wurden mit projektspezifischen Rahmenparametern wie beispielsweise den Entfernungen, der Feldverkabelung oder den Mitarbeitenden vor Ort beschrieben, sodass kundenindividuelle Intralogistiklösungen bewertet werden können.


Carbon Footprint Intralogistik
Qualitativer Datenkatalog: von Produkt- auf Materialebene. Grafik: Fraunhofer IML

Herausforderungen der Datentransparenz

Wenn möglich, werden Primärdaten bei den jeweiligen Lieferanten abgefragt bzw. produktspezifische Verbräuche gemessen. Die Datenverfügbarkeit stellt jedoch nach wie vor Herausforderungen wie beispielsweise die vielen unterschiedlichen Lieferanten, die einzubinden sind, dass Inhouse-Daten in mehreren IT-Systemen vorliegen können oder die für den PCF relevanten Informationen in ausreichender Datenqualität verfügbar sein müssen.

Wo Datenlücken nicht geschlossen werden können, werden daher für den Augenblick gemeinsam Annahmen getroffen oder auf international anerkannte Ökobilanz-Datenbanken wie ecoinvent® und GaBi® zurückgegriffen und mit Sekundärdaten Verbräuche abgeschätzt. Diese werden in einem späteren Validierungsschritt überprüft und bei Bedarf nachgebessert. Ein Detailmodell für die Berechnung der THG-Emissionen wurde in der Bilanzierungssoftware Umberto® umgesetzt. Mit diesem Detailmodell erfolgt einerseits die Validierung mittels kundenindividueller Projekte. Andererseits dient dieses zur Ableitung von THG-Kennzahlen auf Ebene der jeweiligen Produktvarianten und übergeordneten Prozesse, welche in einem Kalkulator für die schnelle THG-Emissionsberechnung genutzt werden können.


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Auswertung einer fiktiven Anlage. Grafik: Fraunhofer IML

Skalierbare Ergebnisse für künftige Anlagen

In der gemeinsamen PCF-Studie wird also nicht nur eine exemplarische Intralogistikanlage modelliert. Es wird viel mehr ein Ansatz erarbeitet, mit welchem über Basismodule relevante Größen und Konfigurationen unterschiedlicher Anlagen skaliert und die THG-Emissionen auf Anlagenebene berechnet werden können. Im Ergebnis erhält TGW Logistics einen spezifischen Kalkulator mit Hilfe dessen das Technologieunternehmen dann Intralogistikanlagen aus geplanten und realisierten Kundenprojekten über vereinfachte Eingabedaten selbst skalieren, einem Aufstellungsland zuordnen und den Embodied Carbon Footprint berechnen kann. Eine spätere Erweiterung, Aktualisierung oder Detaillierung des Carbon Footprint Modells und des Kalkulators wird mitgedacht, damit auch zukünftig neue Produkte in das Portfolio aufgenommen, Updates der zugrundeliegenden Datenbanken berücksichtigt und potenzielle Produktentwicklungen (z. B. alternative Materialien, Lieferanten) abgebildet werden können.

Ansprechpartner:

  • Kerstin Dobers, Fraunhofer IML, Abt. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
  • Frederic Veit, Fraunhofer IML, Abt. Maschinen und Anlagen
  • Anna Preut, Fraunhofer IML, Abt. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft