BU: Von der Open Logistics Foundation liegt jetzt eine industriereife Software vor, die den digitalen Frachtbrief (eCMR) auf einen gemeinsamen Standard bringt. Foto: KI-generiert
Digitaler Frachtbrief – unter diesem Begriff stellt die Open Logistics Foundation auf der transport logistic 2025 in München einen neuen Meilenstein der digitalen Supply Chain vor: die erste industriereife Open-Source-eCMR-Software. Diese Lösung ist rechtssicher, interoperabel und für alle Unternehmen frei verfügbar. Sie vereint technische Verlässlichkeit mit maximaler Offenheit – und setzt damit einen neuen Standard im digitalen Frachtwesen.
Internationale Vorhaben für die Umsetzung digitaler Frachtbriefe gibt es viele, doch in der Praxis mangelt es oft an Kompatibilität. Unterschiedliche Plattformen, proprietäre Standards und technische Abhängigkeiten erschweren den lückenlosen Austausch. Die Open Logistics Foundation hat nun eine quelloffene eCMR-Software entwickelt, die diese Defizite adressiert – und das gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen. Die Lösung basiert auf einem einheitlichen, offenen Datenmodell und ermöglicht den unternehmensübergreifenden Austausch von eCMR-Dokumenten – ohne zentrale Instanz, ohne Broker.
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Industriereife eCMR-Software auf Open-Source-Basis
Die eCMR-Software wurde im Rahmen der Working Group „Electronic Transport Documents“ von 28 Mitgliedsunternehmen der Stiftung entwickelt, getestet und zur Marktreife gebracht. Unterstützt durch technische, rechtliche und prozedurale Expertise der Open Logistics Foundation entstand ein rechtskonformes und interoperables System, das branchenübergreifend eingesetzt werden kann.
Die Grundlage des Projekts wurde am Fraunhofer IML gelegt, wo erste Open-Source-Komponenten für den digitalen Frachtbrief im Rahmen des Forschungsprogramms „Silicon Economy“ entwickelt wurden. Der Transfer in den Industriestandard wurde durch die Stiftung koordiniert.
Zur sicheren Unterzeichnung und Validierung der eCMR-Dokumente auf Unternehmensebene nutzt die Software fortgeschrittene elektronische Siegel. Die dezentrale Architektur erlaubt Unternehmen aller Größen und Branchen den direkten Einstieg in die digitale Abwicklung von Transportaufträgen.
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„Die Gemeinschaft ist der Erfolgsfaktor“
„Die in der Open Logistics Foundation von Mitgliedsunternehmen entwickelte eCMR-Software bietet die vielfach geforderte Grundlage zur digitalen und effizienten Gestaltung des internationalen Gütertransports“, erklärt Andreas Nettsträter, CEO der Open Logistics Foundation. „Der Erfolgsfaktor für den neuen Open-Source-Standard ist die Gemeinschaft. Für solche sogenannten Commodities entwickeln Unternehmen heute noch viel zu oft eigene Lösungen, statt im Rahmen der Open Logistics Foundation ihre Kräfte mit anderen Unternehmen zu bündeln.“
Digitaler Frachtbrief: Von der Pilotphase zum produktiven Einsatz
Nach dem Proof of Concept Ende 2023 auf zwei Transportstrecken zwischen Rhenus und Dachser ist ein digitaler Frachtbrief nun im realen Betrieb. Rhenus, Dachser, Markant und Blue Yonder haben die eCMR-Software in gemeinsamen Use Cases implementiert – mit durchweg positiven Ergebnissen. Die Effizienzgewinne lassen sich in konkreten Zahlen belegen.
„Wir glauben, dass wir einige Herausforderungen in der Digitalisierung der Logistik besser gemeinsam bewältigen können“, sagt Markus Sandbrink seitens Rhenus. „Die Entwicklung des eCMR hat das Potential zu zeigen, dass wir als Branche profitieren, wenn wir die Probleme zusammen angehen. Natürlich hätte Rhenus die Aufgabe technisch auch allein lösen können, aber nur in der Gruppe konnten wir eine rechtlich und organisatorisch akzeptierte Lösung schaffen. Dass wir als Mitglieder der Open Logistics Foundation auf Open Source setzen, ist kein Selbstzweck. Durch den Open-Source-Ansatz sollen vor allem dadurch Mehrwerte entstehen, dass die Lösungen von vielen Beteiligten eingesetzt werden. Die Digitalisierung und bessere Interoperabilität führen zu Kosteneinsparungen, Qualitätsgewinnen und Effizienzsteigerungen.
Das zeigen auch die Tests mit der eCMR-Lösung, z. B. mit unseren Partnern Dachser und Blue Yonder. Rhenus beispielsweise hat errechnet, dass je nach Use Case eine Ersparnis von einem Euro pro Dokument erzielt werden kann. Prozesse werden transparenter und weniger fehleranfällig – vom Anfang bis zum Ende bei der Zahlungsabwicklung.“
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Effizienz durch Standardisierung und Offenheit
Auch Dachser hebt die Vorteile der Open-Source-Lösung hervor. „Der neue eCMR-Standard zeigt: Open Source vereinfacht den Einstieg in die Digitalisierung und ist ein Treiber für standardisierte Commodities in digitalen Wertschöpfungsketten“, so Stefan Hohm. „Der Zeitgewinn durch die Nutzung der eCMR-Software liegt in Tests mit unserem IT-Partner Markant in einigen Referenzfällen bei bis zu 60 Prozent. Das bedeutet eine erhebliche Entlastung für alle Beteiligten in der Transportkette – von den Fahrern über die Disponenten bis hin zu den Empfängern der Ware.
Mehr als 25 Logistikdienstleister, Transportplattformen sowie Logistik- und IT-Dienstleister – viele davon Marktbegleiter, einige davon mit bereits bestehenden individuellen eCMR-Lösungen – haben gemeinsam an dem neuen eCMR-Standard gearbeitet. Die Software profitiert davon, dass sie viele unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt. Unsere erfolgreichen Pilotanwendungen mit unserem Partner Markant haben zudem gezeigt, dass wir eine große Chance haben, mit diesem Open-Source-Ansatz noch viel mehr Transportdokumente und -informationen zu digitalisieren. Die Entwicklungen und organisatorischen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem eCMR sind dafür hochrelevant und daher der perfekte Ausgangspunkt.“
Ein neuer Industriestandard aus der Community
„Die neue Open-Source-Software bringt den digitalen Frachtbrief auf einen gemeinsamen Standard – keinen formell normierten, sondern einen durch die gemeinschaftliche Entwicklung und den Rückhalt von Unternehmen legitimierten Standard, einen sogenannten De-facto- oder Industriestandard“, ergänzt Andreas Nettsträter. Jedes Unternehmen kann die eCMR-Software über das Repository der Stiftung herunterladen, anpassen und in bestehende Systeme integrieren. Es fallen keine Lizenzgebühren an.
„Der eCMR ist unser erstes Leuchtturmprojekt seit der Gründung 2021“, resümiert Nettsträter. „Mit der Unterstützung unserer rund 50 Mitglieder und Netzwerkpartner (Stand Mai 2025), zukünftiger Mitglieder und einer wachsenden Logistik-Community werden noch viele weitere erfolgreiche neue Industriestandards auf Open-Source-Basis dazukommen. Jeder ist willkommen, mitzugestalten.“